4. Diskussion zu dem Beitrag „Rezension einer Sendung aus der Reihe Essay & Diskurs auf Deutschlandfunk.“

Hallo Herr Z,

die von Ihnen geschilderten Vorfälle in der Fleischindustrie kann ich mir gut vorstellen. Die Branche hat ja schon öfter bewiesen, dass sie wenig von verantwortungsbewusstem Wirtschaften hält, die Liste der Skandale (z. B. auf http://www.foodtwatch.org) wird immer länger.

Sie haben nicht geschrieben, woher Ihre Informationen stammen. Haben Sie Belege für die Vorfälle? Damit das Thema nicht nur ein Aufreger bleibt, könnten Sie z. B. die Gewerkschaft darüber informieren (http://www.ngg.net) oder die Verstöße den zuständigen Behörden melden (http://www.zoll.de).

Mindestlohn:
Arbeitsbedingungen, wie der gesetzliche Mindestlohn oder ein Branchen-Mindestlohn gelten für alle Arbeitnehmer, die hier arbeiten. Unternehmen, die solche Regelungen unterlaufen, machen sich strafbar. Wenn ausländi­sche (Sub-)Unternehmen in­ner­halb Deutsch­lands Leis­tun­gen er­brin­gen und da­bei Menschen ihres Herkunftslandes beschäftigen, sind sie an das Arbeitnehmer-Entsendegesetz gebunden (§3, §8 AEntG). Auch der Einsatz von Leih- oder Zeitarbeitern ist nach dem Grundsatz des Equal-Pay im Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz (§10, Abs. 5 AÜG) geregelt. Nach meinem Wissensstand ist die Einführung des Mindestlohns im Großen und Ganzen sehr erfolgreich verlaufen (IAB-Chef: Mindestlohn-Erhöhung kein Risiko für Arbeitsmarkt, 23.06.2016, SZ; Wirtschaftsweiser Bofinger hält Mindestlohn für erfolgreich, 31.05.2015, SZ).

Mindesthonorar:
Wenden wir uns wieder unserer Branche zu. Zu dem Vorschlag eines Mindesthonorars schreiben Sie: „Nicht so das ich das auch gerne hätte.“ [sic] Wenn ich Sie richtig verstehe, sind Sie also auch für die Einführung eines Mindesthonorars? Dennoch argumentieren Sie dagegen. Sie bleiben dabei, die Idee „als naiv zu titulieren“. Und Parteien, die „auf solch populistische Themen setzen“, finden Sie „fast peinlich“. Als Gründe, führen Sie die eingangs erwähnten Verstöße gegen den Mindestlohn an und beklagen das „seit Jahren“ in unserer Branche übliche Verlagern von „Freistell-Arbeiten, Retuschen und auch Renderings“ in Billiglohnländer.

Dieser Argumentation kann ich nicht folgen. Kriminelles Handeln ist doch kein Argument gegen die Einführung neuer Mindeststandards, von denen die überwiegende Mehrheit profitiert. Dass Einzelne gegen geltendes Recht verstoßen, zeigt doch nur, dass die Kontrolle verbessert werden muss.

Die Verlagerung von Teilleistungen des Designprozesses in Billiglohnländer ist für mich auch kein stichhaltiges Argument gegen das Mindesthonorar. Die Verlagerung gibt es ja jetzt schon, wie Sie selbst schreiben. Kein Grund auf eine Untergrenze zu verzichten.

Unternehmen, die hier Geschäfte machen wollen, müssen unsere Mindeststandards einhalten, das ist in den meisten Bereichen so. Wenn die Selbtstheilungskräfte unseres Marktes versagen (Stichwort: Bankenkrise), muss er eben reguliert werden.

Mehrwert:
Meiner Erfahrung nach, sind leicht standardisierbare Tätigkeiten immer als Erstes von wirtschaftlichen Umbrüchen betroffen. Gestaltung ist keine rein technisch-handwerkliche Fertigkeit, die sich leicht kopieren lässt, sondern ein individueller Entwicklungsprozess.

Mit einem umfassenden Gestaltungsansatz, der möglichst viele Abschnitte unternehmerischer Wertschöpfung einbezieht, kann Design gar nicht ohne Weiteres in andere Regionen verlagert werden. Denn für viele Aufgaben ist ein bestimmter sozial-kultureller Hintergrund notwendig. Und trotzdem sinken die Preise, warum?

Wenn alle so denken würden, wie wir, wäre das Preisgefüge nicht aus den Angeln geraten und wir müssten hier nicht über ein Mindesthonorar diskutieren. Die Tatsache, dass wir uns die Zeit nehmen, in diesem Forum so ausführlich darüber schreiben, zeigt, dass es nicht so weitergehen darf.

Auftraggeber:
Sie haben völlig Recht, Leistungen nur auf Basis des Preises zu vergleichen, widerspricht allen Lehrsätzen guter Unternehmensführung. Und doch versuchen Einkäufer immer wieder die Preise zu drücken. Warum? 1. Design ist ein Käufermarkt, der durch einen hohen Angebotsüberschuss geprägt ist. 2. In vielen Unternehmen werden Einkäufer, die Preisnachlässe durchsetzen, (z. B. mit Provisionen) belohnt. 3. Für andere ist es nur die Lust an einem Spiel – das wir jedoch nicht mitspielen müssen und auf keinen Fall allzu ernst nehmen sollten.

Einkäufer sitzen einfach am längeren Hebel, egal wie qualifiziert sie für ihre Aufgabe in der Beschaffungsabteilung sind.

Staat:
Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Wir führen in der gesamten Kreativ- und Kulturwirtschaft ein Mindesthonorar ein. Dabei wird der Öffentliche Sektor, aufgrund seiner gesellschaftlichen Relevanz und seiner Vorbildfunktion, eine Schlüsselrolle übernehmen. Er führt als Erster eine Honoraruntergrenze für die Vergabe von Aufträgen ein. Dann darf kein Ministerium, kein durch Steuergelder finanziertes Orchester, keine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt oder Tourismusbehörde mehr zu einem Pitch ohne Bezahlung einladen. Als nächstes werden Online-Plattformen ihre Wettbewerbs-/Teilnahmebedingungen den neuen Rechtsnormen anpassen müssen, wenn sie weiterhin auf dem deutschen Markt tätig sein wollen. Und schließlich müssen sich alle Akteure darauf einstellen, dass es von Designern nichts (mehr) umsonst gibt. Der Mindestlohn greift zwar nur im Niedriglohnsektor – ich vermute mit dem Mindesthonorar wird es ähnlich sein. Trotzdem wird eine wichtige Signalwirkung davon ausgehen: Kreative Leistung ist Arbeit – Arbeit kostet Geld.

Künstlersozialkasse:
Ich hatte Ihnen geschrieben, dass sich viele der Pauschalisten (wie die Festen Freien in den Redaktionen genannt werden) eine Absicherung gar nicht leisten könnten, wenn es die KSK nicht gäbe. Das quittieren Sie mit der Bemerkung: das hieße „ja, …, das die KSK Scheinselbständigkeit fördert!?“ [sic]

Auch wenn dies nur eine rhetorische Frage ist, möchte ich sie gerne beantworten: Nein! Aus den von mir genannten Missständen geht nicht hervor, dass die KSK die Ursache des Problems ist. Sie kümmert sich um die Symptome – ja. Sie kann aber nicht für Missstände verantwortlich gemacht werden, die andere verursacht haben. Die Bekämpfung der Ursachen von Scheinselbständigkeit und Unterbezahlung gehört nicht zu den Aufgaben der KSK.

Politik:
Manchmal frage ich mich, ob wir vielleicht das Problem sind? Weil wir uns einfach nicht vorstellen wollen, dass wir auf den Staat angewiesen sind. Weil wir immer noch dieses bürgerliche Bild einer Selbständigkeit im Kopf haben, das unsere Gesellschaft so lange geprägt hat. „Jeder ist seines Glückes Schmied“, „ohne Fleiß kein Preis“ u.s.w. Ich hoffe, Ihr Meinungsbildungsprozess ist noch nicht abgeschlossen. Wollen wir, dass sich etwas ändert? Es liegt an uns. Wir müssen uns solidarisieren, uns mit starken Partnern verbünden und gegen jede Form von Spec-Work vorgehen.

Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist ein zu bedeutender Wirtschaftszweig, als dass man ihre Probleme weiter ignorieren könnte.

„Die Branche erzielte in 2014 einen Umsatz von schätzungsweise 146 Milliarden Euro. Ihr Beitrag zur volkswirtschaftlichen Gesamtleistung (Bruttowertschöpfung) in Deutschland betrug schätzungsweise 67,5 Milliarden Euro (2,3 Prozent). Damit ist sie vergleichbar mit den großen Industriesektoren Automobil, Maschinenbau, Chemie.“ (Quelle: BMWi)

Dass es einzelne Parteien gibt, die ernsthaft über Lösungen nachdenken, finde ich gut. Ich verstehe nicht, was daran populistisch sein soll. Dass sie dabei auch auf Wählerstimmen schielen – na und? Wir brauchen Partner mit politischem Einfluss.

Schöne Grüße,
© Thomas Bender

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