Andrea’s Deppenapostroph?

Unter Designern taucht immer wieder die Frage auf, ob bei Eigennamen das Genitiv-s, wie im Englischen, mit Apostroph (Stammapostroph) abgetrennt werden muss.

Falsch gesetzte oder sinnlose Apostrophe werden von einigen Kritikern auch als Deppenapostroph bezeichnet. Dabei wird vor allem die häufige Verwendung des apostrophierten Genitivs beklagt.

Die Auseinandersetzung ist nicht neu, da sich die Regeln zur korrekten Verwendung des Apostrophs in der deutschen Sprache schon mehrfach geändert haben.

Der Düsseldorfer Designer und Typograf Uwe Steinacker schreibt in seinem lesenswerten Blogbeitrag* „Apostrophe richtig setzen in Adobe InDesign – so geht’s!“:

„…Bei einem Namen kennzeichnet der Apostroph den Genitiv, wenn dieser auf s, ss, ß, tz, z, x, und ce endet:
• Maurice’ Printbroschüre
• das Leben Johannes’ des Täufers
• Max’ Mayonnaise

Vor dem Genitiv bei Namen würde ich den Apostroph nur setzen, wenn er dazu beiträgt, männliche und weibliche Namen zu unterscheiden:
• Andrea’s Magazin-Layout
• Philips Magazin-Layout…“

Ein Mitglied der AGD-Gruppe auf Xing stellte die folgerichtige Frage, ob es nicht „Andreas Magazin-Layout (weibl.) bzw. Andreas’ Magazin-Layout“ (männl.)?“ heißen müsse.

Mein Kommentar vom 28.10.2016:

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat diesen Fall in §96 und §97 geregelt:

„§96…(1) Eigennamen, deren Grundform (Nominativform) auf einen s-Laut (geschrieben: -s, -ss, -ß, -tz, -z, -x, -ce) endet, bekommen im Genitiv den Apostroph, wenn sie nicht einen Artikel, ein Possessivpronomen oder dergleichen bei sich haben:

Aristoteles’ Schriften, Carlos’ Schwester, Ines’ gute Ideen, Felix’ Vorschlag, Heinz’ Geburtstag, Alice’ neue Wohnung

E1: Aber ohne Apostroph:
die Schriften des Aristoteles, die Schwester des Carlos, der Geburtstag unseres kleinen Heinz

E2: Der Apostroph steht auch, wenn -s, -z, -x usw. in der Grundform stumm sind:

Cannes’ Filmfestspiele, Boulez’ bedeutender Beitrag, Giraudoux’ Werke…

§97…E: Von dem Apostroph als Auslassungszeichen zu unterscheiden ist der gelegentliche Gebrauch dieses Zeichens zur Verdeutlichung der Grundform eines Personennamens vor der Genitivendung -s oder vor dem Adjektivsuffix -sch:

Carlo’s Taverne, Einstein’sche Relativitätstheorie…“

(Quelle: Rat für deutsche Rechtschreibung, Regeln und Wörterverzeichnis, Mannheim 2006)

Die entsprechenden Einträge in meinem gedruckten Duden basieren auf den Regelungen des RdR und erweitern diese um praktische Beispiele und Empfehlungen für sprachliche Zweifelsfälle. Sowohl der RdR als auch Duden sprechen ausdrücklich nur vom „gelegentlichen“ Gebrauch, also einem Ausnahmefall.

(Quelle: Duden 1, K 16, S. 32, Berlin 2013)

D. h. Die Genitivform von „Andreas’ Layout“ (männlich) durch Anfügen eines Apostrophs zu bilden, um den männlichen vom weiblichen Vornamen unterscheiden zu können, ist auch nach der neuen Rechtschreibung möglich.

Das „Layout von Andrea“ und das „Layout von Andreas“ umgeht das Problem.

Ein Mitglied der AGD-Gruppe auf Xing fand es skurril, dass solche Dinge in Paragraphen geregelt werden und stellte die Frage, ob es das noch in einem anderen Land gibt.

Mein Kommentar vom 30.10.2016:

Ja gibt es, in Frankreich wird der Gebrauch der französischen Sprache sogar gesetzlich geregelt. Wer dort Geschäfte machen will, muss sich an das Sprachgesetz „Loi Toubon“ halten. Und die Académie Française veröffentlicht immer wieder restriktive Vorschläge zum Schutz der französischen Sprache.

Bei uns haben die Orthografie-Regeln des RdR nur den Charakter von Empfehlungen. Bindend ist das Regelwerk lediglich für Schulen und Verwaltung, für die der Staat Regelungskompetenz hat. Bei Nichtbefolgung droht Ihnen also kein Freiheitsentzug. Es gibt ja keine Instanz, die kontrolliert oder bestraft.

Gerade unter Leuten, die mit Sprache arbeiten, gibt es viele, die sich wenig um Paragraphen scheren und gerne mal die Regeln brechen. Das macht Sprache lebendig. Der Schriftsteller Reinhard Jirgl z. B. schreibt eher lautmalerisch und mit einer ganz eigenen Zeichensetzung. Trotzdem hat ihm die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung den Büchnerpreis verliehen.

Sprache verrät viel über uns. Ich bin überzeugt, dass richtiges Schreiben die Zusammenarbeit mit Auftraggebern erleichtert. Dabei helfen mir die Referenzwerke von Duden – nicht nur bei meiner Arbeit für den Verlag.

©Thomas Bender

*Der Beitrag basiert auf der Reformschreibung von 2006.

Zur Diskussion in der AGD-Gruppe auf Xing